21. Mai 2023
Junge Bergsteiger der DDR
Das Sammeln und Tragen von Abzeichen kennen wir als ein etwas skurril anmutendes Steckenpferd sowjetischer Pioniere. Aber auch junge und alte sächsische Bergsteiger scheinen einen Faible dafür zu
haben. So wirkt es für Außenstehende etwas aus der Zeit gefallen, wenn auch heute noch zum "Treffen junger Bergsteiger" derartige Anstecker an die Teilnehmer ausgegeben werden.
Bereits in der Frühzeit des Sächsischen Bergsteigerbundes kamen den Abzeichen eine wesentliche Rolle zu. Jeweils ein Abzeichen der den Sächsischen Bergsteigerbund angehörenden
Klettervereinigungen wurden in einer Schatulle aufbewahrt. Damit wollten diese Kletterklubs dem Bund ihre Treue und aufrichtige Mitarbeit beweisen.
Unsere Altvorderen trugen die Klubabzeichen am Revers ihrer Jacken durchs Gebirge. Heute uniformieren sich einzelne Gruppen von Kletterern, indem sie mit gleich aussehenden T-Shirts, auf denen
der Name und das Logo des jeweiligen Klubs steht, in unserer Felsenheimat auftreten.
14. Mai 2023
2,50 Reichsmark
Über 30 Jahre lang war der 1923 erschienene Kletterführer das einzig verfügbare Buch, welches den sächsischen Bergsteigern Auskunft über die Kletteraufstiege des Elbsandsteingebirges gab. Zwar
wurden 1927 und 1950 zwei Nachtragshefte veröffentlicht, jedoch erst 1953 gab die Sektion Touristik der Deutschen Demokratischen Republik eine vollständige Neubearbeitung unter dem Titel "Der
Bergsteiger, Ein Kletterführer durch die deutschen Mittelgebirge, Band 1 Elbsandsteingebirge" heraus.
Ob es sich beim auf der Rechnung aufgeführten verkauften Kletterführer um ein neues Exemplar oder ein antiquarisches Buch handelte, ist auf dem Kaufbeleg nicht ersichtlich. Der Betrag von 2,50
Reichsmark erscheint aus heutiger Sicht recht preiswert, zumal gegenwärtig Liebhaber bereit sind, für einen dieser alten Kletterführer wesentlich höhere Summen auszugeben.
Alexander Weymann (1902–1986) war nicht nur Buchhändler sondern auch aktiver Kletterer. Am 4. Juli 1934 gelang ihm, mit Kurt Nitzschmann als Nachsteiger, die Erstbesteigung vom im Basteigebiet
stehenden Ferdinandturm.
7. Mai 2023
Der Bergsteiger im Sächsischen Felsengebirge
Im Frühjahr 1923 erschien die 2. Auflage von Rudolf Fehrmanns Kletterführer "Der Bergsteiger im Sächsischen Felsengebirge". Der Titel war nicht ganz zutreffend, denn Fehrmann beschrieb auch die
Gipfel im böhmischen Teil des Elbsandsteingebirges. Vermutlich war deshalb im Buch als Unterüberschrift "Führer durch die Kletterfelsen des Elbsandsteingebirges" zu lesen.
Das Vorwort des Kletterführers datierte Fehrmann mit "Dresden, den 8. Mai 1923". Erstmalig gibt es in diesem Führer eine siebenstufige Schwierigkeitsskala, unterteilt mit den römischen Ziffern I
bis VII. Ebenfalls zum ersten Mal werden in diesem Führer Sternchen für besondere Gipfel und lohnenswerte Aufstiege vergeben. Zudem sind die Hauptgipfel in Großbuchstaben aufgeführt.
Im Vorwort schrieb Rudolf Fehrmann: Unser Gebirge ist keine "Schweiz"; darum mache dich nicht selbst zur Karrikatur, indem du dich als Salontiroler kleidest und aufführst. Andererseits komme aber
auch nicht verschmutzt und in Kletterlumpen an die Stätten des öffentlichen Verkehrs. Bedenke, daß unsere Berge mehr sind als eine Turnhalle; darum lasse Deine Seele nicht verdorren über
einseitige Freude an Muskelbetätigung, lerne darum den Falkenstein höher schätzen als die Gottfried-Bauch-Spitze!
30. April 2023
Sächsische Entwicklungshilfe
2023 feiern die Kletterer in Adrspach das einhunderjährige Jubiläum ihres Klettergebietes. Bedingt durch die Lage in den hintersten böhmischen Wäldern, setzte die klettersportliche Erschließung
des Gebietes relativ spät und zudem mit sächsischer Entwicklungshilfe ein. Otto Dietrich, Otto Rülke und Wilhelm Fiehl bildeten eine der ersten Seilschaften, die den Felstürmen aufs Haupt steigen
wollte. Ihnen gelang 1923 die Erstbesteigung einer der markantesten Felsgestalten, der "Bürgermeisterin". Dabei wurde ihnen alles geboten, was das Klettern in Adrspach bis heute unverwechselbar
macht: Ein nervenzerrender Überfall, Risse, Kamine und droben am überhängenden Gipfelkopf mussten die Kletterer dann auch noch "ausgiebig unterstützen".
Bereits einen Monat vor der Eroberung der Bürgermeisterin, am 20. Mai 1923, gelang einer anderen sächsischen Seilschaft unter Führung von Willi Adam die Erstbesteigung vom Pfingstturm, welcher
heute König genannt wird. Dies zählt in der tschechischen Literatur, zum Beispiel im 2017 erschienenem deutschsprachigen Buch "Mut und Kraft", als der Beginn des Klettersports in Adrspach.
Vor einigen Jahren tauchte dann noch ein weiteres, etwas älteres Datum auf. Demnach soll bereits am 29. April 1923 eine ebenfalls sächsische Seilschaft mit dem Vorsteiger Walter Rösel auf dem
Randturm gestanden haben.
23. April 2023
T.K. Kreuztürmer 1910
Auf dem Stuhl steht ein Schild. Der Schriftzug "Kletterklub" ist zu gut lesen, die Zeile darunter "Kreuztürmer" ist deutlich verblichen und nur schlecht erkennbar. Die Rückseite der Karte ist
zudem beschriftet: Kloß Carl. T.K. Kreuztürmer.
Der Touristen und Kletterklub Kreuztürmer wurde 1910 gegründet. Laut des Personen- und Klublexikons des SBB gehörten Karl Kloß und Richard Schilling zu den frühen Klubmitgliedern. Nach
Informationen des Klublexikons gab es noch drei weitere Klubs, welche auf den Namen "Kreuztürmer" hörten.
Am Kreuzturm wird der Alte Weg – ein schindiger Schulterriss, heute mit dem Schwierigkeitsgrad V bewertet und erstgegangen 1901 von Hermann Sattler – vergleichsweise selten geklettert. Wesentlich
mehr Begehungen bekommt die Nordwand. Ein Aufstieg von Emanuel Strubich aus dem Jahr 1916.
Carl oder Karl Kloß? Wir haben hier im Text die Schreibweisen aus den jeweiligen Dokumenten übernommen.
16. April 2023
Bergrettungsdienst
Laut des im Jahr 2000 erschienenen Buches "Bergrettung im sächsischen Fels" handelt es sich hier um ein Mitgliedsabzeichen des Bergrettungsdienstes in der Ausführung von 1953. In dem Jahr wurde
der Bergrettungsdienst neu strukturiert und gehört seitdem dem Roten Kreuz an. Unter diesem Dachverband war die Bergrettung in der Sächsischen Schweiz bereits von 1934 bis 1945 organisiert.
Da Bergrettungsdienst wie auf dem Abzeichen ersichtlich mit "BRD" abgekürzt wurde, dies aber gleichzeitig die Abkürzung für Bundesrepublik Deutschland war, also dem politischen Gegner der DDR,
benannte man 1973 den Bergrettungsdienst in Bergunfalldienst um. Dessen Kürzel "BUD" war unverfänglich.
Im Frühjahr 1990 wurde aus dem Bergunfalldienst die Bergwacht.
9. April 2023
150 Jahre Alpenvereinssektion
Dresden
Als im Frühlinge des Jahres 1869 eine Anzahl von Gebirgsfreunden den Deutschen Alpenverein in München in's Leben rief und in einem "Aufrufe an alle Gebirgsfreunde" zur Gründung von Sectionen
aufgefordert hatte, konnte an dem Erfolge nicht gezweifelt werden, da die Pflege des Alpinismus in Deutschland und Oesterreich schon damals die weiteste Verbreitung gefunden hatte und es nur
einer Anregung bedurfte, um die Begeisterung für die Hochgebirgswelt den Bestrebungen des Alpenvereins dienstbar zu machen. Dresden, welches doch von jeher einen grossen Procentsatz der
Alpenbesucher gestellt hat, nahm überraschender Weise zunächst eine abwartende Stellung ein und schloss erst im Jahre 1873 obigen Bestrebungen an.
Auf einem von ihm im "Dresdener Anzeiger" erlassenen Aufruf fanden sich am 9. April 1873 im Restaurant Fiebiger (Grosse Brüdergasse) die untengenannten 20 Personen ein, welche noch im Laufe der
Berathung die Gründung der Section Dresden vollzogen, den Unterzeichnenden zum vorläufigen Vorsitzenden ernannten und gleichzeitig beschlossen, dass auch die an der nächsten Sitzung
Theilnehmenden und der Section beitretenden Herren als constituierende Mitglieder gelten sollten.
1873–1898 Festschrift zum 25jährigen Jubiläum Section Dresden d.D.O.Alpenverein's
2. April 2023
Im Auerhuhnerwartungsland
Die Rückseite dises Fotos ist beschriftet: Am Fremdenweg, 31. Oktober 1928. Der 31. Oktober 1928 war ein Mittwoch – damals wie heute ist der 31. Oktober ein Feiertag in Sachsen. Dieses Foto ist
vermutlich in jenem Bereich des Fremdenweges entstanden, der unmittelbar an der sächsisch-böhmischen Grenze entlang führt. Und dessen Begehung gegenwärtig von den Nationalparkverwaltungen beider
Länder nicht in Betracht gezogen wird.
Dass es heute keinen Verbindungsweg vom Großen Winterberg zum Prebischtor gibt, oder vom Zeughaus nach Rainwiese (diesen Grenzübergang hatte bereits der sächsische Ministerpräsident Biedenkopf
zur Nationalparkeröffnung 1991 zugesagt), liegt wohl vordergründig am Widerstand der tschechischen Parkverwaltung. Denn diese betrachtet das Gebiet als Auerhuhnerwartungsland. Irgendwann soll
sich die östliche, gegenwärtig im Isergebirge lebende Population der vom Aussterben bedrohten Auerhühner mit dem westlichen, vom Fichtelgebirge nach Osten
ausbreitenden Vorkommen vereinigen. Das Prebischtorgebiet wird dabei als der mögliche Korridor der Ausbreitung betrachtet.
Bis in die 1970-er Jahre war das Auerhuhn im Elbsandsteingebirge heimisch. Den letzten Ende der 1950-er Jahre im Gebiet der Affensteine lebenden Auerhahn fürchteten Wanderer und Kletterer wegen
seines aggressiven Verhaltens.
26. März 2023
Lok im Abo
Der Verlag Gebrüder Junghanns veröffentlichte eine Serie mit mindestens acht Kletteraufnahmen, die eine Begehung vom Überfall an der Lokomotive inclusive des Abseilens zeigen. Ein Fotograf der
Aufnahmen wird auf der Rückseite dieser Ansichtskarten nicht genannt. Das hier abgebildete Foto wurde jedoch auch an anderer Stelle gedruckt und zwar im Taschenbuch Bergheil des Jahres 1910. Das
war ein illustrierter Kalender für Natur- und Wanderfreunde, Kletterer und Hochtouristen – erschienen im K. Georg Kummers Verlag, Leipzig.
Eine Bergfahrt in "Sachsens Dolomiten" lautet die Überschrift eines von Arymund Fehrmann verfassten Artikels in diesem Büchlein. Die Unterüberschrift "Mit photographischen Aufnahmen von W.
Kröhl." gibt uns Aufklärung über den Urheber der Fotos.
Im ersten Gipfelbuch der Lokomotive-Esse finden sich zwei Einträge von Wilhelm Kröhl. Am 27. Juli und 22. Oktober 1905 stand er – Seilschaftsführer war jeweils Oliver Perry-Smith – auf dem Gipfel
der Esse. An 35 von den ersten 70 Besteigungen dieses Gipfels war Oliver Perry-Smith beteiligt, zumeist als Vorsteiger. Damit lässt sich natürlich nicht belegen, dass Oliver Perry-Smith der auf
der Karte abgebildete Kletterer ist. Aber diese Vermutung ist sicher naheliegend.
19. März 2023
Zum Einkaufen nach Prag
Schwere Stahlkarabiner älterer Produktion mal ausgenommen gab es in der DDR keinen Karabiner zu kaufen der in eine Abseilöse passte. So nahmen die Kletterer erfreut zur Kenntnis, dass in der
zweiten Hälfte der 1980-er Jahre in der CSSR ein Schraubkarabiner mit großer Schnapperöffnung produziert wurde und dort in den Handel kam.
Allerdings brauchte es auch etwas Glück den Karabiner im tschechischen Einzelhandel zu kaufen zu bekommen. Ich kann mich nur an zwei Läden in der CSSR erinnern, in denen es Kletterausrüstung zu
kaufen gab. Einer davon befand sich in Poprad am Fuß der Hohen Tatra, also in der Slowakei, der andere in Prag in der Nähe vom Wenzelplatz. In sehr seltenen Fällen hatten diese Läden auch
Bergsportausrüstung aus dem westlichen Ausland im Sortiment.
Der Karabiner wurde von der Firma Walter produziert und hatte eine Bruchlastangabe von 30 kN in der Längsachse und 9 kN bei Querbelastung.
12. März 2023
Das Wahrzeichen des Elbsandsteingebirges
Dieses Foto, welches zu den bekanntesten Aufnahmen von Walter Hahn gehört, zeigt Karl Ullrich bei einer Begehung des Alten Weges an der Barbarine. Hahn hat dieses Motiv über viele Jahrzehnte als
Ansichtskarte verkauft, es wurde in zahlreichen Büchern gedruckt und diente auch als Vorlage für Illustrationen.
Grundsätzlich vermerkte Walter Hahn in seinen Aufzeichnungen leider nicht das Datum der Fotoaufnahmen, sondern nur den Termin zu dem er die Bilder in sein Archiv einarbeitete. Da zudem die
Gipfelbücher jener Jahre nur lückenhaft erhalten sind, lassen sich viele seiner Fotos keinem konkreten Datum zuordnen.
Die hier abgebildete Ansichtskarte ist eine frühe Veröffentlichung dieses Fotos. Rechts unten in der Ecke findet sich der Abdruck eines Prägestempels mit dem Namen W. Hahn, links unten die
Motivnummer 615. In späteren Jahren hat Hahn beides durch ein Signet ersetzt, welches sowohl die Kartennummer als auch seinen Namen enthielt. Zudem fand sich auf der Vorderseite der Karten unter
dem Foto eine Zeile mit einer Bilderklärung.
5. März 2023
Der wichtigste Termin der Woche
7.38 Uhr ab Dresden Hauptbahnhof. Das war die Abfahrtszeit der S-Bahn in Richtung Sächsische Schweiz und der Zug mit dem die meisten Kletterer am Wochenende ins Gebirge fuhren. Telefone gab es
damals kaum, so verabredete man sich bereits Sonntag-Abend auf der Heimfahrt für den Zug am folgenden Sonnabend. Das Kletterziel sollte dann während der Fahrt spätestens in Wehlen ausdiskutiert
sein.
Der Kauf einer Fahrkarte war allerdings in den 1980-er Jahren unter den Kletterern nicht unumstritten. Es gehörte damals zum "guten Ton" vor dem Schaffner zu flüchten. Was in den Doppelstockwagen
der S-Bahn und bei nur einem die Fahrkarten kontrollierenden Schaffner auch kein Problem war. So gab es immer eine Wanderbewegung von Kletterern durch den Zug. Wenn der Schaffner in der unteren
Etage aktiv war, verkrümelte man sich über die obere Etage in den Bereich der bereits abgearbeitet war.
Die Zugfahrt war nicht besonders teuer. Eine Sonntagrückfahrkarte bis nach Kurort Rathen kostete 3,20 Mark, nach Schmilka-Hirschmühle waren es 5,20 Mark. Der Preis der Einzelfahrt vom
Hauptbahnhof nach Rathen betrug 2,00 Mark, die einfache Fahrt nach Schmilka kostete 3,40 Mark.
26. Februar 2023
Ohne Seil zum Gipfel
Erstbestiegen wurde die in Eiland gelegene Krammnadel von Fritz Kramm im Jahr 1910. Das hier abgebildete Foto dürfte aus den 1920-er oder 1930-er Jahren stammen und zeigt einen unbekannten
Kletterer der seilfrei im Alten Weg unterwegs ist. Wobei der Kletterer gerade die Schlüsselstelle des Aufstiegs, einen Überhang meistert. Andere Fotos aus dieser Zeit lassen hier teils wilde
Konstruktionen von Schwebesicherungen über neben dem Gipfel stehende Bäumen erkennen. Heute sind die Kletterer am Überhang durch einen Sicherungsring gesichert.
Im Anfang der 1990-er Jahre erschienenem Kletterführer "Die schönsten Klettereien der Tschechei" ist zum Alten Weg an der Krammnadel vermerkt "Gut gesicherter und eleganter Weg." Der Ring taucht
in diesem Führer noch nicht auf, statt dessen wird die Möglichkeit erwähnt, dort eine Schlinge unterzubringen. Die Einschätzung des Kletterführerautors Padlo Werdermann, der Weg sei damit gut
gesichert, war vermutlich nur eine Minderheitsmeinung, denn etwa zeitgleich mit dem Erscheinen dieses Kletterführers wurde am Überhang ein nachträglicher Ring installiert.
Von Walter Wetzel (1901–1975) ist eine ganze Reihe von Fotopostkarten aus den 1920-er und 1930-er Jahren bekannt, welche mit einem Stempel "Orig.-Aufnahme v. Walter Wetzel Dresden-A18, Arnoldstr.
4" gekennzeichnet sind.
19. Februar 2023
Auf Teufelsturm und Schrammtorwächter
22. IX 12.
Ein freudiges Berg Heil ruft Euch entgegen
Toni.
Teufelsturm und Schrammtorwächter allein.
Das Gipfelbuch vom Teufelsturm ist nicht erhalten, jenes vom Schrammtorwächter hingegen schon. In diesem findet sich auch der Eintrag von Toni. So erfahren wir zudem dessen bürgerlichen Namen,
der da Richard Nichte lautet. Blättern wir im Gipfelbuch ein paar Seiten zurück, findet sich einen weiterer Eintrag von Richard Nichte. Er ist also bei seinen Solobesteigungen zumindest am
Schrammtorwächter nicht im unbekannten Gelände geklettert.
Damals war es üblich, dass die Klubmitglieder oder mit den Klubs freundschaftlich verbundene Kletterer Postkarten an die Lokale der Klubs sendeten. Diese werteten die Kameraden dann bei den meist
einmal in der Woche stattfindenden Zusammenkünften aus.
Richard Nichte wurde 1894 geboren, feierte 1912 also seinen 18. Geburtstag. Bei den Frankensteinern hielt er es nicht lange aus, bereits im folgenden Jahr wurde er bei den Jung-Falkensteinern 11
als Mitglied geführt. Seine einzige Erstbegehung im heimischen Sandstein war die Südostkante am Muschelkopf, die sogar Aufnahme in den Kletterführer "Elbsandstein-plaisir" fand.
12. Februar 2023
Hochbau am Wartturm
Einordnen würde ich dieses Foto in die 1950-er oder 1960-er Jahre. Es zeigt eine Gruppe von Kletterern, welche den Versuch unternehmen in der Nordwestseite des Wartturms eine abweisende
Wandpassage mit Hilfe eines menschlichen Steigbaums zu überwinden. Vielleicht war es der Versuch einer Erstbegehung, welcher nicht zum Erfolg führte? Jedenfalls gibt es im Kletterführer keine
passende Aufstiegsbeschreibung zur hier abgebildeten Aktivität. Der Nordwestweg, an dem die Erstbegeher 1913 ausgiebig unterstützt haben, führt deutlich weiter rechts zur Kante. Erst 1981 - viele
Jahre nach der Aufnahme dieses Fotos - entstand in dem hier abgebildeten Wandbereich die Route "Miniakt".
Im Vergleich zu den modernen Helden großer Baustellen fällt hier etwas ins Auge. Da wo heute die Felsen förmlich mit Seilen eingestrickt werden, die Ringe der Nachbarwege und umliegende Bäume
Teil der Sicherungskette sind, hat hier nur der Führende lässig ein Seil um die Brust geschlungen – eine durch und durch ehrliche Form der Auseinandersetzung mit dem Fels.
Ob an der Route "Gruppenzwang" am Grünling, da waren umliegende Bäume Teil einer Schwebesicherung, oder bei der "Winterdirektissima" am Jahrhundertturm, wo der Ring einer Nachbarroute mit
verwendet wurde – vergisst die heutige Generation der Erstbegeher gern mal diese Erleichterungen sowohl beim Eintrag ins Gipfelbuch als auch im Kletterführer zu erwähnen. Obwohl die Sächsischen
Kletterregeln dies eigentlich einfordern.
5. Februar 2023
Sonnenwende im Februar
Deutlich mehr als in der heutigen Zeit waren die Dresdner Sektionen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins zum Beginn des 20. Jahrhunderts Teil des kulturellen Lebens der Stadt. Sie
veranstalteten neben Vorträgen auch zahlreiche Feste. Speziell im Winterhalbjahr, wenn Kälte und die kurzen Tage Aktivitäten im Gebirge nur eingeschränkt zuließen.
Zu diesen Trachtenfesten gab es eine entsprechende Kleiderordnung, die da lautete:
Anzug für Herren: Tracht, Sepplhose, kurze Hose, Joppe (Gesellschafts-, Sport- und Straßenanzug verbeten)
Anzug für Damen: Tracht oder Dirndl (Straßen- und Sommerkleid oder Gesellschaftskleidung verbeten)
Die größte und älteste Alpenvereinssektion der Landeshauptstadt war die seit 1873 bestehende Sektion Dresden. 1901 wurde die Akademische Sektion Dresden gegründet, 1906 folgten die Sektionen
Wettin und Meissner Hochland. Mit dem etwas irreführenden Namen "Allgemeiner Turnverein Dresden" bildete sich 1910 eine weitere Alpenvereinssektion in der sächsischen Residenz.
29. Januar 2023
Wo steht die Falkennadel?
Auf dem ersten Blick kann man diesen Gipfel schlecht zuordnen. Der heute so benannte Gipfel "Falkennadel" im Bielatal ist es jedenfalls nicht. Im Hintergrund sehen wir landwirtschaftlich genutzte
Fläche und vermutlich ein Haus von Eiland. Sollte es gar ein Gipfel auf böhmischer Seite sein?
Aufklärung findet sich im Buch "Die Namen unserer Klettergipfel". Dort ist zur heutigen Falkennadel zu lesen: Nach alten Fotos wurde um 1920 der Pfeiler rechts in der Talseite von Adam und Eva
als "Falkennadel" bezeichnet. Da der Pfeiler für einen Gipfel zu klein und zu unselbstständig war, wurde der Name in den 1960er Jahren auf diesen nordwestlich benachbarten Turm übertragen.
Ackerbau gibt es im Eiländer Kessel seit Jahrzehnten nicht mehr. Auf großen Teilen der einstigen Landwirtschaftsflächen wächst wieder Wald.
22. Januar 2023
Der Humor kommt nicht zu kurz
Auf dem Foto ist offensichtlich das Aufnahmeritual eines neuen Klubmitglieds zum Stiftungsfest eines Bergsteigerklubs zu sehen. Bei einigen heimischen Kletterklubs werden neue Mitglieder einem
derartigen Prozedere unterworfen. Sie müssen sich erniedrigen lassen, um sich damit als würdig zu erweisen, Teil eines illustren Personenkreises zu sein. Wie auch bei Geheimbünden üblich, findet
man in den zahlreichen Festschriften von Kletterklubs eher wenige Aufzeichnungen zu derartigen Initialisierungsritualen. Was nicht zuletzt daran liegt, dass man künftigen Aspiranten nicht die
Überraschung nehmen möchte.
Teil eines der harmloseren Aufnahmerituale ist, zwei um Klubaufnahme bemühte Kandidaten müssen sich mit verbundenen Augen gegenseitig mit Schokoladenpudding füttern.
Derartige Initialisierungsrituale finden allgemein bei Personengruppen statt, die in ihrem Selbstbild Teil einer Elite sind. Also beispielsweise bei Studentenverbindungen, Gebirgsjägereinheiten
der Bundeswehr und natürlich auch bei den sächsischen Bergsteigern.
15. Januar 2023
"Hauptschwierigkeit umgangen"
Erstbestiegen wurde der Johanniskegel am 31. Juli 1904 von Oskar Adam, Paul Witschold, Theodor Huhle und G. Graf. Im Kletterführer von 1908 steht folgende Aufstiegsbeschreibung: Durch die Südwand
des Kegels zieht ein Riss herab, aus dem eine Birke herauswächst. Durch diesen Riss bis zum Überhang des Gipfelblocks. Hier über die Wand zur Linken zum Gipfel.
Wie man auf dem Foto sieht, ist der Vorsteiger vom Absatz weg (dort wo heute eine Sicherungsöse steckt) nicht den Riss direkt hoch geklettert, sondern im deutlichen Rechtsbogen an der Kante empor
gestiegen. Auch auf anderen Fotos aus dieser Zeit sieht man die Bergsteiger diese Variante klettern. Offenbar ist die Aufstiegsbeschreibung im Kletterführer – damals wie heute – etwas verkürzt
wiedergegeben. Der abdrängende Riss gerade hoch ist deutlich anspruchsvoller, als die auf dem Foto ersichtliche Wegführung. Für gewöhnlich wählten die Erstbesteiger unserer Sandsteintürme aber
den Weg des geringsten Widerstands.
Walter Hahn fotografierte hier 1916 die Seilschaft Rudolf Klemm. Der 1897 in Schandau geborene Rudolf Klemm fiel im selben Weltkriegsjahr in Serbien.
8. Januar 2023
Barthel-Bombe
Ob in der Boofe oder im Hochgebirge, in der DDR gab es über Jahrzehnte eigentlich nur einen Kocher für diejenigen, die draußen mit dem Rucksack unterwegs waren. Den Benzinkocher Juwel 34. Der
arbeitete allerdings oft nicht störungsfrei. Ob bei sehr tiefen Temperaturen oder in großen Höhen der Gebirge, forderte er von den ihm nutzenden Bergsteigern ein Übermaß an Geduld und
Bastelwillen. Was speziell für all jene Bergsteiger, die offiziell oder per Transitvisum in den mittelasiatischen Gebirgen oder im Kaukasus unterwegs waren, zu einem teilweise ernsthaften Problem
wurde.
Der Kocher war zwar, wie vom Hersteller angegeben, explosionssicher, jedoch gibt es reichlich Geschichten, wie das eine oder andere Mal Benzin mit sich entzündender Stichflamme durch das
Überdruckventil oder die im Laufe der Nutzungsdauer porös gewordenen Dichtungen entwich. Was zu einer Reihe von "Beinahekatastrophen" auf Berghütten oder im Zelt führte und für den Namen
"Barthel-Bombe" sorgte. (Ursprünglich baute die Dresdner Firma "Gustav Barthel" den Kocher.)
Mit den mitgelieferten Werkzeugen und Ersatzteilen konnten handwerklich begabte Bergsteiger den Kocher komplett zerlegen und reinigen und somit in vielen Fällen wieder zum Laufen bekommen. Da man
den Kocher zudem vorheizen musste, war er meist deutlich verrußt – was nicht nur bei Reperaturarbeiten für schwarze Finger sorgte.
1. Januar 2023
Klettern und Skilanglauf
Die Ski-Zunft Dresden wurde im März 1923 gegründet. Anders als es der Name vermuten lässt, waren die Mitglieder sowohl Kletterer als auch Skilangläufer. 1932 trat die Ski-Zunft als
Kletterabteilung dem Sächsischen Bergsteigerbund bei.
Eines der Gründungsmitglieder der Ski-Zunft war Gustav Karnagel (1870–1938), Kaufmann und Inhaber vom gleichnamigen Sporthaus Karnagel. Sein Sporthaus beherbergte auch die Geschäftsstelle des
SBB, wie man beispielsweise einer Werbeanzeige im Kletterführernachtrag von 1927 entnehmen kann.
Wie alle Sportvereine wurde auch die Ski-Zunft 1945 von den Allierten verboten. Nach dem politischen Zusammenbruch der DDR fanden sich im Jahr 1990 Sportfreunde, welche die Ski-Zunft Dresden
revitalisierten.